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1920 – 1930

Die Anfänge des Landesfürsorgeverbandes Oldenburg in der Weimarer Republik

Der Landesfürsorgeverband Oldenburg entstand dem Namen und der Sache nach im Rahmen der zentralen Fürsorgegesetzgebungsmaßnahmen der Weimarer Republik, deren Verfassung die Wohlfahrtspolitik zur Staatsaufgabe erklärt hatte. Im Jahr 1924 wurden mit der Reichsfürsorgepflichtverordnung (RFV vom 13. Februar 1924), den dazu ergangenen „Reichsgrundsätzen über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge“ (RGr vom 27. März 1924 bzw. 1. Januar 1925) und dem Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG vom 1. April 1924) die wohl wichtigsten Regelungen für diesen Bereich geschaffen, die zum Teil bis weit in die Zeit der Bundesrepublik Deutschland hinein Gültigkeit behalten sollten. Mit der Reichsfürsorgepflichtverordnung wurde für das ganze Deutsche Reich ein einheitlicher Rahmen geschaffen.

Er sollte vor allem die bisherige Zersplitterung der Fürsorge durch ein neues zweistufiges System von Landesfürsorgeverbänden und Bezirksfürsorgeverbänden als Träger der gesamten öffentlichen Fürsorge auflösen. In Preußen, dem größten Land des Deutschen Reiches, wurden die bestehenden Provinzialverbände als Landesfürsorgeverbände und die Stadt- und Landkreise als Bezirksfürsorgeverbände bestimmt. Die Verordnung führte jene Bereiche auf, für die die Fürsorgeverbände die gesamten Kosten zu tragen hatten, unter ihnen immer noch deutlich sichtbar viele große Teile der Kriegsfolgenbewältigung des Ersten Weltkrieges: die Fürsorge für Kriegsbeschädigte und -hinterbliebene, für Sozial- und Kleinrentner, Schwerbeschädigte, hilfsbedürftige Minderjährige sowie die Wochenfürsorge und die allgemeine Armenfürsorge.
Die Reichsgrundsätze formulierten das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe und versprachen die Gewährung eines „notwendigen Lebensbedarfs“, zu dem nunmehr auch „Krankenhilfe sowie Hilfe zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit“ gehörten. Stand die Befähigung zur Arbeit ganz im Zentrum dieser Gesetzgebung, so galt „arbeitsscheues“ Verhalten nach ihrem Kanon fortan als asozial. Jeder Hilfsbedürftige war nun zuerst von jenem Bezirksverband zu versorgen, in dessen Gebiet seine Bedürftigkeit eingetreten war und nicht mehr von seiner eingetragenen Wohnsitzgemeinde.

Die Aufwertung der Ebene der Länder und des kommunalen Bereichs durch die Reichsverordnung hatte allerdings auch eine gewichtige finanzielle Seite. Mit der Erzbergerschen Steuerreform von 1920 war erstmals eine einheitliche Reichssteuerverwaltung mit erheblichen nationalen Steuereinnahmen geschaffen worden. Die Verteilung der Mittel über Finanzausgleichsgesetze bestimmte nunmehr maßgeblich auch über die im Fürsorgebereich verfügbaren Mittel. Hatte das Reich mit den Einkommen- und Realsteuern die wichtigsten kommunalen Einkommensquellen an sich gezogen, so gingen im Gegenzug fortan drei Viertel dieser Steuern als Zuweisungen vom Reich aus an den kommunalen Bereich. Insbesondere die am 14. Februar 1924 ergangene 3. Steuernotverordnung schuf nach den katastrophalen Auswirkungen der Hyperinfl ation des Jahres 1923 wieder solide Verhältnisse im Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden. Kreise und Städte bildeten damit seit 1924 als Bezirksfürsorgeverbände den Mittelpunkt aller
Fürsorgeleistungen.

Oldenburg war eines der kleinen selbstständigen Länder im Deutschen Reich. Ein Großteil der Reichsgesetze und -verordnungen musste daher jeweils noch einmal landesgesetzlich formuliert und im „Gesetzblatt für den Freistaat Oldenburg“ und entsprechenden Verwaltungsanordnungen bekanntgegeben werden. Dies geschah für den Fürsorgebereich unter anderem mit dem „Gesetz für den Freistaat Oldenburg zur Ausführung der Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht“ vom 7. Juli 1924. Bereits in seinen Kommentaren zu diesen Gesetzen merkten die Oldenburgischen Gesetzgeber an, dass hier die Form der Provinzialverbände, die den Reichsgesetzgeber geleitet hatte, nicht existierte und damit – der Freistaat bestand aus drei weit auseinander liegenden Teilen, dem Landesteil Oldenburg, dem Landesteil Lübeck und dem Landesteil Birkenfeld – der Landesteil Oldenburg selbst als Landesfürsorgeverband eintreten musste: „Als Landesfürsorgeverband war damit für den Landesteil Oldenburg der Landesteil gegeben, da ein größerer Kommunalverband fehlt.“

Auf dem Weg zum Provinzialverband – der Landesfürsorgeverband im NS-Staat

In mehreren Schritten baute die Oldenburgische Landesverwaltung, die seit
1932 mit einem Ministerpräsidenten und zwei Ministern von einer nationalsozialistischen
Landesregierung geleitet wurde, den Landesfürsorgeverband formal
zu einem Verband mit breiter Zuständigkeit und damit zu einer Verwaltungseinheit
nach dem Vorbild der preußischen Provinzialverbände aus. Das „Gesetz
betreffend die Vereinfachung und Verbilligung der öffentlichen Verwaltung“ vom
27. April 1933 brachte schon sehr bald nach Amtsantritt der NS-Landesregierung
in Oldenburg zunächst einmal nur eine, allerdings gewichtige Neuerung:
Der Landesfürsorgeverband wurde zu einer Körperschaft öffentlichen Rechts
erhoben, dem die Aufgabe eines Lastenausgleiches im Bereich der öffentlichen
Fürsorge zukam. Seine Mitglieder waren die Landkreise und kreisfreien Städte
des Landesteils Oldenburg, deren Vertreter durch das Oldenburger Innenministerium
für den Vorstand und den Ausschuss des Verbandes ernannt wurden. Vorsitzender des Vorstandes war kein Vertreter der Kommunen, sondern ein
Beamter des Innenministeriums. Während die Gemeinden nach diesem Gesetz
„den gesamten Aufwand für die allgemeine Fürsorge“ anstelle der Bezirksfürsorgeverbände
zu übernehmen hatten, blieben davon „die Kosten für hilfsbedürftige
Geisteskranke, Idioten, Taubstumme und Blinde, sowie […] die Kosten
für orthopädisch-chirurgische Behandlung sowie Ausbildung und Erziehung von Krüppeln“ ausdrücklich ausgenommen.
Deutlich in den Sprachgebrauch der damaligen Zeit gefasst, fiel demnach der gesamte Fürsorgeaufwand für körperlich und geistig Behinderte nun den Bezirksfürsorgeverbänden, d.h. den Amtsverbänden zu. Der Landesfürsorgeverband, der die Anstalt bestimmen konnte, in der ein Hilfsbedürftiger unterzubringen
war, hatte den Bezirksfürsorgeverbänden die Hälfte der entstehenden Kosten zu erstatten. Der Landesfürsorgeverband hingegen war berechtigt, seinen
Gesamtaufwand nach einem vom Innenministerium jeweils festgelegten Umlagemaßstab „auf die Amtsverbände umzulegen“. Sehr allgemein gefasst, waren damit die Amtsverbände einerseits verpflichtet, die Kosten für Behinderte zu übernehmen; andererseits trugen sie im Umlageverfahren den Etat des

1928